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Ade du schöne Kindergartenzeit

20. Juli 2022

Auf zu neuen Gewässern!

3 Jahre. 36 Monate voller Action, Grenzen und ganz viel Kuscheln. Aber Pädagogik heißt leider auch, dass man sich mit so vielen Einflüssen auseinander setzen muss und vieles davon wohlmöglich nie nachvollziehen wird. 


Ich habe nun 3 Jahre als Erzieherin gearbeitet und möchte dieses Kapitel mit einem ausführlichen Blogeintrag abschließen. Wenn wir jung sind, gibt es eigentlich nur zwei wichtige Fragen im Leben. 1. Wen werde ich mal heiraten und 2. Was will ich werden, wenn ich groß bin? Im Kindergarten ist das ganz einfach: Feuerwehrmann, Polizist, Tierärztin oder Reiterin. Fußballer geht auch noch, oder „Flugzeugflieger“. Irgendwann merken wir jedoch, dass da draußen noch viel mehr Berufe existieren, und wir müssen uns so langsam ernsthaft die Frage stellen: Was will ich eigentlich werden? 

Ich könnte an dieser Stelle nun meinen gesamten Lebenslauf in Hülle und Fülle präsentieren aber letztlich zählten heute nur die vergangenen Monate als „Fojena“ im DRK-Kindergarten. 


Als sich mein Studium dem Ende zuneigte, begab ich mich wie jeder andere Student auch auf Jobsuche. Ich war schon immer davon überzeugt, dass es für mich nicht den einen Job gibt, den ich für immer machen möchte, doch zum Einstieg in die pädagogische Praxis eignet sich wohl kaum etwas mehr als der Job der Erzieherin. Vollzeit musste es sein und möglichst in der Nähe. Eine Stellenanzeige, eine Bewerbung, ein Vorstellungsgespräch. Meine Chefin und ich waren uns direkt sympathisch und auch die anderen Kollegen wirkten auf mich freundlich und offen. Ich hatte bis dato schon viele Einrichtungen gesehen, Gott, was waren wir mit Frozensquad in zig Kitas und auf Kita-Festen, doch den Kindergarten-Alltag kannte ich bisher nur aus wissenschaftlich fundierten Studien. Theoretisch darf man als Erziehungswissenschaftler gar nicht direkt in einer Einrichtung arbeiten, sondern müsste einen 270 Stunden praktische Arbeit Nachweis vorweisen. Ja, ist klar. Und dann bin ich besser geeignet oder dann habe ich den ultimativen Skill, diesen Job zu erledigen? Würden sie danach fragen, würde ich mir schon irgendetwas ausdenken. Hat aber keiner. Zugegeben habe ich auch jahrelang als Kinderbetreuer, Au-Pair und Kinderanimateur auf Geburtstagsfeiern gearbeitet. Und ob ich der Herausforderung gewachsen bin? Na klar!


Es hat natürlich niemand nach so einem Nachweis gefragt. Jedoch war ich immer ein wenig unsicher, ob ich mich eigentlich gut anstelle oder nicht. Immerhin hatte ich nie etwas von der klassischen Ausbildung mitbekommen. Ich konnte von Anfang an „frei sein“ auf der Arbeit, das gefiel mir am meisten. Projekte, Ideen, Angebote. Wir konnten einfach sagen, was wir uns überlegt hatten und durften uns dann frei im Projekt entfalten. Regeln und Grenzen verinnerlichte ich schnell und setzte sie so gut wie möglich auch durch. Ich fing im April 2019 an und die großen Vorschulkinder nahmen mich natürlich nur bedingt wahr. Erziehung über Beziehung ! Und wie soll man so schnell Beziehung aufbauen? An sich nahmen mich die Kinder allerdings hervorragend an, was auch sonst? Nach zwei Wochen wollte meine Chefin mich sprechen und mir ging ordentlich die Flatter. Ich hatte tatsächlich Sorge, sie würde meine Arbeitsweise kritisieren und mir eventuell sagen, ich wäre hier Fehl am Platz. Dann fragte sie mich, wie ich meine Arbeit bis jetzt einschätze. Gut natürlich, man muss sich ja immer gut und selbstsicher verkaufen. Sie bestätigte das und offenbarte mir, dass sie der Meinung ist, ich hätte das Zeug dazu, in einigen Jahren die Leitung hier zu übernehmen, da sie den Job nicht länger als 5 weitere Jahre machen möchte. Da war ich baff und ab dem Zeitpunkt hatte ich auch nie wieder das Gefühl, ich könnte vielleicht etwas nicht richtig machen. Ob ich mir das vorstellen könnte? Sicher! Doch nun war da erstmal unser kleines aber feines Team. Meine Chefin, zwei Kolleginnen und ich. Und 25 kleine Monster. 


Bis zum Tag der Verabschiedung fuhr ich jeden Tag gerne zur Arbeit. Klar gibt es mal bessere und mal schlechtere Tage aber ich hatte nie Bauchschmerzen oder wollte am Liebsten wieder umdrehen und das verdanke ich meinem Team. Und nach all dem Blabla reden wir doch jetzt mal Tacheless über den Job als Erzieher. 


Man sollte Kinder mögen, nein, man MUSS Kinder mögen, denn sonst hält man so manche Situationen vermutlich nicht aus. Ich habe auf meiner Abschiedsrede erzählt, dass es Momente gab, wo ich meinen Kopf am Liebsten in die Waschmaschine gesteckt hätte. Ja, viele Momente dieser Art! Ruhe und Geduld sind wichtig. Und Humor, eine Menge Humor! Es gab so viele Situationen, wo meine Chefin und ich uns nur fragende Blicke zugeworfen haben. Wieso denken Kinder nur manchmal so? Ihre Welt ist eben noch bunt, wo wir nur noch schwarz und weiß sehen, dennoch sind viele Charaktereigenschaften „anerzogen“. Im Kindergartenalter entdecken Kinder das „Ich“ und ich bin wichtig. Gleichzeitig lernen sie in dem Alter auch, dass andere Kinder auch ein „ich“ haben und das was ich gut finde, vielleicht doof finden. Oder auch denselben Becher haben möchten. Es gibt Kinder, die immer zurück stecken und es akzeptieren, wenn sie weg geschubst werden. Und dann gibt es die, die immer schubsen. Manche Kinder reagieren mit Heulanfällen auf einen Konflikt, andere mit einem Wutanfall. Kinder hauen, schubsen und treten. Manche von ihnen beißen und das ist ein völlig normaler Entwicklungsschritt. Aber gerade dann kommen wir Erwachsenen, Eltern und Erzieher, ins Spiel und müssen den Kindern ihr Handeln emphatisch reflektierend erklären. Und Kinder brauchen Grenzen! Bitte hört endlich auf mit dieser Luschi-Pädagogik. Eltern sind nicht die Freunde der Kinder. Eltern sind Vorbilder, Wegweiser, der sichere Hafen. Aber all das können Eltern nur sein, wenn sie konsequent durchschaubar sind. Kinder brauchen oder wollen das. Bei uns in der Kita gab es keine Diskussionen. Und Konsequenzen müssen vorher gut durchdacht werden, bevor sie ausgesprochen werden. Und dann müssen sie eingehalten werden, exakt so wie zuvor angepriesen. Klar merkt man auch manchmal, dass das jetzt vielleicht nicht 100%ig richtig war, learning by doing. Aber ich hab es so oft erlebt, dass Eltern immer wieder nachgegeben haben, wenn es erst klar und deutlich „nein“ hieß. Und sicherlich kommen alle Eltern des Öfteren an den Punkt wo sie sagen (oder sich denken): Dann mach dich, was du willst. Das hab ich auch öfters gedacht, doch es gibt Regeln und an diese Regeln muss man sich halten. 


Gerade jetzt nach Corona ist vieles eingebrochen. Ich habe einige Freunde, die ebenfalls Erzieherin sind und alle bestätigen: Es wird immer schlimmer. Erziehungsberichte plädieren für mehr Struktur und Grenzen bei der Erziehung und alle Eltern würden dabei nicken, obwohl sie es doch fast alle anders machen. Es gibt keine perfekte Erziehung und gewiss ist auch jedes Kind anders. Aber ich habe in diesen drei Jahren so vieles gesehen, wo ich erst mir und dann den Eltern am liebsten kurz die Hand an die Stirn geklatscht hätte. Aber es ist, wie mir fast allen Dingen im Leben: Jeder sollte das machen, was er für richtig hält. Klar, wenn mich jetzt jemand nach meiner Meinung oder einem Rat fragt, dann interveniere ich auch. Aber so bin ich nicht der Typ, der mal rüber wackelt und den Finger hebt. Das gehört sich nicht. 


Ich würde nicht sagen, dass ich von der „alten Schule“ bin, wie es dann ja gleich wieder heißt. Aber antiautoritäre Erziehung ist für mich der größte Mist seit der Romantisierung des Kindes um 1900. Ja, Kinder sollen sich frei entwickeln und in ihrer Individualität unterstützt und gefördert werden. Aber das ganze eben mit klarer Grenzsetzung und auch wirklich mal einem „nein!“. Auch wenn Kinder dann weinen und dich vermutlich „nie wieder“ mehr lieb haben, sie brauchen das. Ebenso diese Konsumerziehung. Kinder haben heutzutage so viel Spielzeug, dass sie gar nicht mehr wissen, wie man damit eigentlich richtig spielt. Gruselig zu beobachten, wirklich. Das wird einfach nur noch durch die Gegens geschleudert oder geworden. Ja, viele Kinder können nicht mal mehr mit Schleichtieren oder einem Holzbauernhof spielen. Wir haben Puppenecken und einen Kaufmannsladen aufgebaut in der Kita, uns immer wieder etwas neues einfallen lassen aber es endete nach nicht mal 4 Stunden immer gleich: Die Kinder schmissen die Spielmaterialien durch die Gegend, sprangen auf Plastikgemüse und zerrissen Spielgeldscheine. Und man steht da und fragt sich: „Was ist eigentlich los?“. Und am Spielzeugtag versuchten einige Kinder immer wieder ihr Spielzeug zu zerstören. „Warum? Lass das sein.“ Und dann kommt nur ein: „Wenn das kaputt geht, dann bekomme ich eh ein neues.“ Und dann merke ich, wie in mir langsam Wut aufsteigt. Nicht auf das Kind, nicht mal wirklich auf die Eltern, sondern darauf, dass unsere aktuelle Gesellschaft dazu führt, dass solche Ansichten überhaupt vermittelt werden können. Schlimm an der ganzen Geschichte ist dann natürlich, wenn die Kinder es wirklich neu bekommen, nachdem sie es selbst kaputt gemacht haben. Hä?! Und jetzt mal rein objektiv, ohne das bewerten zu wollen, wie es in einzelnen Familien gehandhabt wird: Wie sollen denn Kinder dann den Wert einer Sache lernen? Mit Aussagen wie: „Das ist aber teuer.“  verstehen Kinder nicht. „Dafür muss man arbeiten.“  ist Kindern egal, das können sie noch gar nicht bildlich verinnerlichen, was das eigentlich bedeutet, bzw. was wir Erwachsenen eigentlich den ganzen Tag leisten. 


Zusammenfassend gesagt: Ich habe in diesen drei Jahren unzählige schöne Erfahrungen gemacht und tolle Erinnerungen geschaffen. Gleichzeitig konnte ich viel lernen, mich weiterbilden und meine persönliche Ansicht von Erziehung intensivieren. Aber nach den drei Jahren muss ich nun auch sagen, dass ich gerade zum Schluss das Gefühl hatte, man kann kaum mehr etwas ausrichten. Man kommt nicht mehr gegen das an, was die Gesellschaft da einem gerade vorlebt. Pädagogische Angebote liefen kaum mehr geordnet ab, weil die Kinder sich nur noch beleidigten, schlugen und gegenseitig anschrien. Und nicht nur ein Kind oder zwei, sondern mindestens 6 auf einmal. Immer wieder kämpfen, obwohl wir es schon verboten hatten. Immer wieder mit Schaufeln und Besen schlagen, obwohl wir sie dann erst einmal einige Tage weg gesperrt haben. Wie ich schon sagte: Man kommt kaum mehr dagegen an. Und nun ist die große Frage: Wieso? Wo ist der Ursprung, was läuft falsch? Es ist dabei gar nicht wichtig, welches Kind damit anfängt, wer sich animieren lässt und wer nicht. Man wird müde. Ich schimpfe nicht gerne mit den Kindern und das habe ich ihnen auch immer wieder gesagt aber manchmal ging es nicht anders. Und irgendwann ging es täglich nicht anders.


Jetzt schließe ich dieses Kapitel fürs erste ab und konzentriere mich auf meinen neuen Job, denn auch da werde ich von Menschen gebraucht und muss für sie da sein. Ein Job ohne soziale Kontakte ist für mich aktuell nicht denkbar aber vielleicht kommt ja auch irgendwann der Zeitpunkt, wo man von unserer Art die Nase voll hat. Dann arbeite ich mit Tieren oder, mein größter Traum, sitze einfach nur dort an diesem Ort und schreibe. 


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