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Für immer im Herzen

2. April 2020

Der Tag an dem du von uns gingst

Es ist irgendwie alles noch so unrealistisch, nicht greifbar. Am Sonntag sollte meine Oma endlich wieder nach Hause kommen, nach so unendlich vielen Wochen im Krankenhaus und in der Reha. Sie war auf dem Weg der Besserung, freute sich riesig über ihr neues Badezimmer und nur wenige Tage später ist sie nicht mehr am Leben. 
Dies wird ein sehr trauriger Beitrag, doch Oma war seit meinem 11. Lebensjahr mein größter Fan von allem, was ich geschrieben habe. Jeden Blogeintrag habe ich ihr vorgelesen. Jedes meiner bisher geschriebenen Bücher wollte sie haben. Und ich verarbeite meine Gefühle über Worte, deswegen folgt jetzt ein Beitrag an meine geliebte Oma: 

Meine liebe Oma, 
ich scrolle durch unsere vergangenen Whats App Nachrichten und kann noch immer nicht glauben, dass ich nie wieder ein "Hallo mein Schatz" oder "Hallo mein Liebling" von dir kriegen werde. Ich will nicht wahrhaben, dass das Ende doch so plötzlich gekommen ist. Ich habe deine Lieblingsbettwäsche für dich gewaschen und zum Frühstück haben wir all das eingekauft, was du am Liebsten magst. Ich habe am Fenster gestanden und aufgeregt auf dich gewartet, zu lange hast du uns hier zu Hause gefehlt. Doch du kamst nicht, stattdessen erhielt ich die Nachricht, sie hätten dich wieder ins Krankenhaus gebracht. Wir schrieben, es ging dir schon besser, in nur 1-2 Tagen solltest du auf die normale Station, also würdest du bestimmt bald nach Hause dürfen. Am Montag telefonierten wir, es ging dir wieder schlechter, deine Werte machten Chaos, wie es ja schon häufiger der Fall war. Du wünschtest dir eine Armbanduhr, ich fuhr sofort damit zum Krankenhaus, auch wenn ich dich aufgrund der Corona-Pandemie nicht besuchen durfte. Ich gab sie an der Rezeption ab, du bedanktest dich per Whats App. Ich schreib dir noch einmal, wie sehr ich dich lieb habe, doch diese Nachricht  durftest du schon nicht mehr sehen. Du wurdest müde und fielst in eine Art Koma-Zustand. Nach so vielen Jahren der Schmerzen und des Leidens konnte dein Körper einfach nicht mehr. Papa sprach viel mit der Ärztin, die Chancen, dass du wieder aufwachen würdest, sind mehr als gering. Wir alle entschieden uns gemeinsam, dem Lauf des Lebens zuzustimmen. Wir wollten dich nicht künstlich Beatmen. Wir wollten dich nicht an 100 Maschinen anschließen, nur um alles in die Länge zu ziehen. Wir wollten dir deinen Frieden schenken und sie nahmen dir am Dienstag die Atemmaske ab. Papa durfte dich als einziger besuchen. Er sprach mit dir, streichelte deine Hand, du warst nicht alleine. Und wir hoffen so sehr, dass du das gespürt hast. Nichts bricht mein Herz mehr, als dass ich dich die vergangenen Wochen nicht besuchen durfte, dass du zwei Wochen ohne Besuch von uns leben musstest. Friedlich lagst du in deinem Bett, hast ruhig geatmet und hoffentlich etwas schönes geträumt. Ob du gefühlt hast, dass deine Schmerzen nun ein Ende haben? Am Mittwoch Morgen war Papa noch einmal bei dir. Er spielte dir Sprachnachrichten von uns ab, damit du noch einmal unsere Stimme hören konntest. Wir alle sind so unendlich traurig und gleichzeitig sind wir dankbar, dass deine Quälerei ein Ende hat. Wie oft sagtest du mir, dass du nicht mehr kannst, dass es nicht mehr geht.

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, den 02.04.2020, machtest du deinen letzten Atemzug. Papa schrieb mir, es war gegen 1.00 Uhr, um 1:11 Uhr wurde ich wach und starrte an meine Decke, kurz darauf schlief ich wieder ein. Wolltest du mich ein letztes Mal besuchen? Ich weiß, du glaubst nicht an so etwas aber ich tu es. Und ich glaube auch, dass du nun endlich wieder bei deinem geliebten Mann bist, dass ihr jung seid und voller Lebensenergie, ohne Schmerzen und Sorgen. 

Ich sehe dich in jedem Raum hier bei uns zu Hause, du fragtest mich, ob ich denn hier wohnen bleiben würde, wenn du nicht mehr wärst und ich versprach dir, dein geliebtes Zuhause weiter zu führen, zu pflegen und zu einem wunderschönen Ort zu gestalten. Ein Ort, an dem Familie, Freunde und Nachbarn zusammen kommen und sich im Garten treffen, gemeinsam Quatschen, Essen & Trinken, so wie wir es immer taten als ich noch klein war.
Ich behalte dich in Erinnerung Oma, als den lebensfrohen und lustigen Menschen, der du warst, der nichts so sehr geliebt hat wie seine Kinder und Enkelkinder. Von Anfang an warst du für uns da, du kamst du uns nach oben, wenn wir geweint haben, du kamst in den Garten, wenn wir gespielt haben, wir sind gemeinsam in den Harz gefahren, in die Türkei oder nach Ägypten geflogen. Oma und Opa waren für mich immer das Größte, das weißt du. Du hast unsere Entwicklung und unsere Kaspereien dokumentiert, später hattest du für all meinen Kummer ein offenes Ohr. Wenn es mir richtig schlecht ging, rief ich dich an. Du kanntest meine Geheimnisse, bevor ich sie selber wusste. Du warst so intelligent und gebildet, auf alles hattest du die richtige Antwort. Deine Leiden hat du viele Jahre versteckt. Du hast es nicht verdient, dass du so lange diese starken Schmerzen im Rücken hattest, du hast es nicht verdient, dass du irgendwann kaum noch stehen, gehen oder sitzen konntest. So viele Jahre sind wir gemeinsam einkaufen gefahren, dann fuhr ich irgendwann ohne dich, weil es nicht mehr ging. Dein Lieblingstag in der Woche war der Freitag. Du sagtest mir, dass du dich schon am Samstag wieder auf Freitag freust, denn da kam ich immer zu dir, kaufte ein und erledigte alles, was so anfiel. Ich wäre so lieb, sagtest du immer. "Das ist selbstverständlich", entgegnete ich dir aber du sahst das immer anders. Nach Opas Tod vor 14 Jahren bist du einsam geworden und ich habe es all die Jahre nicht bemerkt. Viel früher hättest du Gesellschaft gebraucht, unsere Familie, unsere Nähe. Doch den Menschen werden solche Dinge immer viel zu spät erst bewusst. Im Sommer 2019 zog ich zu dir und freutest dich riesig, wir verbrachten so viele schöne Tage zusammen. Jeden Tag freutest du dich auf den Abend, wenn wir gemeinsam quatschten und Fernsehen sahen, um uns über bestimmte Sachen lustig zu machen. Wir kauften die schönsten Dinge zu essen, weil wir sagten, wir machen es uns so schön wie möglich. Du warst nicht mehr alleine, in deiner letzten Zeit auf Erden. Immer bei dir war Balou, dein "Lieblingshund", der dich jeden Tag zum Lachen brachte. Er wich dir nicht von der Seite, als es dir immer schlechter ging, lag er an deinem Bett. Die Freude war auf beiden Seiten grenzenlos, als wir dich Anfang März in der Kurzzeitpflege besuchten. Wir wussten alle nicht, dass es das letzte Mal sein würde und als ich dich am 12.03.2020 in der Reha besuchte und schweren Herzens die Tür schloss, überkam mich ein ganz grausames Gefühl. Es fiel mir schwerer als sonst, die Tür zu schließen und für eine Sekunde hatte ich den Gedanken, dass dies unser letzter Besuch sein würde. Doch im nächsten Moment schüttelte ich den Gedanken bei Seite. Hätte ich gewusst, dass es so kommen würde, hätte ich die Tür noch einmal geöffnet und dich so fest umarmt, wie ich nur kann. Ich hätte dir gesagt, dass ich dich so sehr liebe und du mir mein Leben lang so viel bedeutet hast. 

In meiner schwersten Zeit, standest du von Anfang an zu mir. Du hast dich sehr gefreut, als du Soltan endlich kennenlernen durftest, nachdem du die Jahre über immer mal wieder mit ihm telefoniert hast und meinen Geschichten gelauscht hast. Du hast es zu Papas Hochzeit geschafft und zu meiner, zwei wichtige Ereignisse für dich und die letzten bedeutsamen bevor du von uns gingst. Es scheint noch wie ein Film, dass alles so furchtbar schnell ging. Und es wird mich noch mehrere Tage kosten, bis ich das alles wirklich realisiere. Ich weiß, wie glücklich du vermutlich bist, dass du dich nun nicht mehr quälen musst. Jeden Tag hattest du Angst vor dem Nächsten, immer wieder Panik davor, zu ersticken, dass dir die Luft weg bleibt. Ich saß oft an deinem Bett, wenn es dir schlecht ging und du batest mich, noch nicht zu gehen. Ich sagte dir, dass ich bei dir bin und dass du nicht alleine bist. Das tat dir so unglaublich gut in deinen letzten Monaten. Du wusstest nicht, wie oft ich weinend ins Bett ging, wie ich immer wieder völlig verzweifelt unter Tränen auf meinem Bett saß, weil ich einfach nicht begreifen konnte, wie es sein kann, dass ein so toller Mensch wie du es bist, so leiden muss. 

Ich weiß, dass es der Lauf des Lebens ist. Ein Mensch wird geboren, er lebt dein Leben und geht eines Tages von uns. Dennoch hinterlässt er seine Spuren im Herzen aller, die ihn geliebt haben. Ich bekomme so viele Nachrichten meiner liebsten Menschen, die mir schreiben, wie schwer das für mich sein muss, denn sie wissen genau, wie sehr ich dich geliebt habe. Es war für mich nie eine Qual. mich um dich zu kümmern, denn du hast dich mein Leben lang auch um mich gekümmert und das werde ich dir nie vergessen. Ich höre dein Lachen, wenn ich auf meinem Sofa sitze, ich sehe uns beim Hummer knacken, wenn ich am Esstisch bin und jeder Winkel unseres Hauses schenkt mir eine Erinnerung mit dir, für die ich so dankbar bin. Du würdest mir sagen, dass ich nicht weinen brauch und ich würde dir antworten, dass ich es aber trotzdem tu, weil mein Herz aktuell droht, in Trauer zu ertrinken. Trotzdem freue ich mich so sehr, dass du einen schönen Tod hattest. Du bist friedlich eingeschlafen, ohne Angst zu ersticken. Diesen Tod hast du dir immer gewünscht. Wir konnten uns zwei Tage lang darauf vorbereiten, dass dies eintreffen würde. Es wird mich noch eine lange Zeit quälen, dass ich dich nicht mehr besuchen konnte aber ich bin mir sicher, dass du weißt, dass wir es nicht durften. Irgendwann wird der Schmerz und die Trauer vergehen und irgendwann wird mein Herz gold leuchten, wenn ich an die Zeit mit dir denke.
Es ist fast so, als wenn du genau wüsstest, dass jetzt alles gut ist, dass ich glücklich mit meinem Mann bin, dass Papa wieder glücklich verheiratet ist, dass wir uns um das Haus kümmern und dein Besitz in guten Händen ist und dass meine kleine Schwester gut versorgt ist, weil wir alle jeder Zeit für sie da sind und sie bei Probleme immer zu mir kommen kann. Es ist, als könntest du nun loslassen, auch wenn es weh tut, weil du dich so über dein neues Badezimmer gefreut hast, was du nun leider nie mehr mit eigenen Augen sehen wirst, doch du hast gesehen, was wir für dich gemacht haben und es hat dir noch einmal gezeigt, wie sehr wir dich lieben. Du wirst bald zu deinem geliebten Mann mit ins Familiengrab kommen, so wie ihr zwei euch das einmal ausgemalt hattet, um im Tod wieder vereint zu sein. Du hattest Sorge, dass du jemandem zur Last fallen würdest, wenn sich jemand auch noch Jahre lang um dein Grab kümmern müsste aber ich werde da sein. Ich lebe hier und du bist nur wenige Meter von unserem Haus entfernt. Das füllt mein Herz mit Liebe. Die schönsten Blumen werde ich für dich Pflanzen, ich weiß, was dir gefällt. Ich habe Angst vor der Beerdigung, ich werde viel weinen, das weiß ich aber wir werden alle gemeinsam, offiziell ein letztes Mal Abschied nehmen. Und danach lebst du weiter, im Herzen jedes einzelnen von uns. 

Ruhe in Frieden.

Deine Lorena 

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